Religiöse Feste
Religiöse Feste
Als die Menschen in früheren Jahrhunderten noch nichts davon wussten, dass man auf den Bahamas am Strand in der Sonne liegen kann und sich dies Urlaub nennt, waren kirchliche Feiertage eine willkommene Abwechslung in ihrem oftmals harten Alltag. Kirchweih war so ein Fest – Hochfest und Volksfest in einem. Heutzutage steht Kirchweih für Kirtahutschn, Schmalzgebäck und Tanz.
Peter Priller im Gespräch
Der Theologe und altkatholische Seelsorger Peter Priller hat sich Zeit für „Zeit im Oberland“ genommen, um über kirchliche Feiertage und ihre Bedeutung in heutiger Zeit zu sprechen:
„Kirchweih war und ist nach wie vor ein Hochfest.“ Ursprünglich wurden die Jahrestage der Einweihung von Gotteshäusern sowohl in der Ost- als auch in der Westkirche am jeweiligen Jahrestag der Weihe. In der westlichen Kirche seien dann im Laufe des Mittelalters außerhalb des Gottesdienstes Volksfeste entstanden, so Priller. „Das nahm zunehmend exzessive Ausmaße an. Das hat insbesondere in der Westkirche dazu geführt, dass das gesamte Jahr über immer irgendwo Kirchweih gefeiert wurde.“
Erst mit der Industrialisierung hat sich das geändert. „Da immer irgendwo ein Kirchweihfest stattfand mit regional unterschiedlichen Bräuchen, und die Menschen damals von Dorf zu Dorf zogen, blieb die Arbeit liegen.“ Als feste Arbeitszeiten eingeführt wurden, war Schluss mit lustig. Der römisch-deutsche Kaiser Josef II. machte dem Kirchweih-Treiben rund ums Jahr ein Ende und verlegte das Fest auf den dritten Sonntag im Oktober. „Er konnte das aber nur in seinen habsburgischen Stammlanden durchsetzen.“ Bayern folgte später: „Erst 1866 wurde bei uns das allgemeine Kirchweihfest auf den dritten Sonntag im Oktober gelegt.“
Ausnahmen gab und gibt es: Wegen der Weinlese galt für die Bistümer Würzburg und Speyer ein späterer Termin. Domkirchen feiern ihr Kirchweihfest grundsätzlich am eigentlichen Weihetag.
Es war also der Staat und nicht Rom, der Kirchweih auf Oktober verlegte. „Ein allgemeines Kirchweihfest gibt es nur im deutschen Sprachraum und selbst da nicht überall“, erklärt Priller. In seiner Kindheit sei Kirchweih noch ein bedeutendes, religiöses Fest gewesen - zumindest auf dem Land. Aber diese Bedeutung habe in den vergangenen 50 Jahren nachgelassen.
Kirtahutschn
Im ländlichen Raum wird noch mit Kirtanudeln und Kirtahutschn gefeiert. Oder es gibt ein Festmahl mit Gans oder Ente. Aber in der Stadt spielt Kirchweih keine Rolle. „Und es feiert auch niemand mehr drei Tage wie früher: Sonntag ja, am Montagnachmittag haben zum Beispiel Behörden geschlossen. Aber am Dienstag feiert niemand mehr.“
Nicht nur Kirchweih hat weitgehend seine ursprüngliche Bedeutung eingebüßt. „Weihnachten zum Beispiel“, betont der Theologe. „Aber vorab: Ich denke, die Kirche ist im Wandel. Man muss nicht den Untergang des christlichen Abendlandes befürchten, nur weil liturgische Feste nicht mehr im Mittelpunkt stehen wie früher.“
Weihnachten ist nur das zweithöchste Fest für die Kirchen. Ostern, also die Drei-Tages-Feier von Gründonnerstagabend bis zum Ostersonntag ist das höchste. „Doch im Volksbewusstsein hat sich da etwas verschoben.“ Nun werde es sehr theologisch, so Priller: „Geht man vom kreuzzentrierten Ansatz aus, tritt die Menschwerdung Jesu in den Hintergrund. Beim inkarnatorischen Ansatz steht sie im Vordergrund. Demnach wäre Weihnachten das höchste Fest. Theologie- und liturgiegeschichtlich ist es aber anders gelaufen.“
Bei Weihnachten wüssten die Menschen immerhin noch, um was es gehe. „Bei Ostern und Pfingsten sind wir da schon weit weg. Wobei man sagen muss, dass Gottesdienstbesuche an Weihnachten die am besten besuchten sind.“
Inkulturation gab es im Christentum immer
Es gibt christliche Feiertage, die heidnischen Ursprungs sind. „Der Inhalt dieser Feiertage ist immer christlich, aber ihre Termine und die Bräuche, die mit ihnen verbunden sind, sind oftmals vorchristlich. Wo wir wieder bei Weihnachten wären.“
Das Datum für die Geburt Christi stammt eindeutig aus dem römischen Kalender. Kaiser Konstantin legte fest, dass es mit dem Fest für den spätrömischen Sonnengott Sol invictus („unbesiegbare Sonne“) auf den 25. Dezember fallen soll. Noch älter ist der Termin des Erscheinungsfestes am 6. Januar. „Die Ursprünge liegen im Dunkel, aber sie gehen möglicherweise auf ein Nilschwemmfest im alten Ägypten zurück. Der 6. Januar war in früherer Zeit ein Tauftermin. Aber das ist alles nicht hinlänglich erforscht.“
„Ostern ist ganz speziell“, sagt Priller. Es gebe spannende Theorien: Das kirchliche Fest leitet sich vom jüdischen Pessach-Fest her. Der Ursprung könnte noch älter sein. Beim ersten Frühjahrsvollmond wurden Schafe von der Winterweide auf die Sommerweide getrieben – verbunden mit einem Fest, bei dem vermutlich ein Lamm geschlachtet wurde. „Das Volk Israel hat dann das Fest als Fest der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens gefeiert, bezeichnenderweise mit dem Verzehr eines Lammes. Was sich in der christlichen Tradition wiederfindet. Jesus, der nach den Evangelien an Pessach gekreuzigt wurde, wird selbst zum Opferlamm.“
Im November feiern Christen Allerheiligen. Doch zumindest viele Jugendliche denken an diesen Tagen an Halloween und Süßigkeiten. „Manche regen sich furchtbar darüber auf“, meint Priller, der das Ganze nicht so streng sieht. Schließlich sei Halloween „All Hallows' Eve“, die Nacht vor dem „All Saints Day“. „Es ist nichts Schlimmes daran, wenn Bräuche übernommen werden. Der Reformationstag fällt ja auch nicht zufällig auf den Tag vor Allerheiligen. Es ist die Erinnerung an die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther, die unter anderem besagen, dass wir alle durch die Gnade Gottes in die Gemeinschaft aller Heiligen berufen sind.“
In der Römischen Kirche wurde allen Heiligen einst am 13. Mai gedacht. „Das war der Weihetag des heidnischen Pantheon zur Kirche Marias und aller Märtyrer. Da gab es wohl Verbindungen zur keltisch-gallischen Liturgie, die am 1. November aller Verstorbenen, also aller Heiligen gedachte.“
Dass heidnische Feste und Kulte von den Christen übernommen wurden, hatte einen pragmatischen Hintergrund. Es half frühen Missionaren bei der Christianisierung. „Der Fachbegriff dafür ist Inkulturation. Das hat das Christentum immer gemacht. Wo Missionare hinkamen, haben sie das Brauchtum der Menschen mit neuen Inhalten verbunden.“