Ödön von Horváth
Ödön von Horváth Ödön von Horváth Werke Kasimir und Karoline
Ödön von Horváth (1901–1938) war einer der bedeutendsten Dramatiker der Zwischenkriegszeit. Sein Leben war geprägt von ständigen Ortswechseln, politischen Umbrüchen und einer tiefen Sensibilität für die gesellschaftlichen Spannungen seiner Epoche. Geboren in Fiume (heute Rijeka, Kroatien) als Sohn eines ungarischen Diplomaten, wuchs Horváth in verschiedenen europäischen Städten auf – unter anderem in Budapest, Wien und München. Diese vielfältigen Eindrücke prägten seinen Blick auf Menschen, Sprache und Gesellschaft.
Nach dem Ersten Weltkrieg begann Horváth, Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. In den 1920er-Jahren etablierte er sich in München und Berlin als scharfer Beobachter der kleinbürgerlichen Welt. Mit seinen sogenannten Volksstücken wollte er das Theater dem Alltag der Menschen näherbringen und gleichzeitig dessen soziale und moralische Missstände entlarven. Sein Stil zeichnet sich durch einfache, klare Sprache, bittere Ironie und tiefes Mitgefühl für die Schwachen aus.
Die politischen Veränderungen in Deutschland zwangen Horváth nach 1933 ins Exil. Er lebte in Österreich, der Tschechoslowakei, der Schweiz und schließlich in Frankreich. Diese Jahre waren von Unruhe, finanzieller Unsicherheit und wachsender Entfremdung geprägt. Dennoch entstanden in dieser Zeit seine wichtigsten Prosawerke, darunter Jugend ohne Gott (1937), das ihn international bekannt machte.
Horváth starb 1938 in Paris auf tragische Weise, als ihn bei einem Sturm ein herabfallender Ast traf. Bis heute gilt Horváth als scharfer Chronist einer verlorenen Generation – und als Autor, dessen Blick auf Moral, Macht und Menschlichkeit nichts an Aktualität verloren hat.
Informationen
Autor: Ödön von Horváth
Geboren: 09.12.1901 in Fiume (heute Rijeka, Kroatien)
Nationalität: österreichisch-ungarisch
Beruf: Dramatiker und Schriftsteller
Stil: gesellschaftskritisch, sprachlich einfach, oft mit schwarzem Humor
Auf den Wegen von Horváth
Aktuelles
Murnauer Hováth-Tage 2025
Das Motto der Horváth-Tage 2025 „TRÄUM WEITER!“ entstammt Horváths selten gespieltem Stück Himmelwärts. Der Ausruf „TRÄUM WEITER!“ lässt sich dabei doppeldeutig lesen: Einerseits als ironischer Hinweis auf vergebliche Anstrengungen, andererseits als ermutigender Aufruf, sich trotz aller Widerstände die eigenen Träume zu bewahren.
Videopodcast zu Ödön von Horváth
Die Ödön-von-Horváth-Gesellschaft
Die Ödön-von-Horváth-Gesellschaft wurde am 31. Januar 2003 in Murnau am Staffelsee gegründet – hervorgegangen aus den Murnauer Horváth-Tagen 1998 und dem Horváth-Jahr 2001, unter dem Symbol des roten Horváth-Huts. Die Gesellschaft initiiert, fördert und organisiert kulturelle Veranstaltungen wie Theater, Lesungen, Ausstellungen und die alle drei Jahre stattfindenden Horváth-Tage. Sie unterstützt die Forschung, berät bei Anfragen und hat bedeutende Dokumente dem Schlossmuseum Murnau übergeben. Ihr Ziel ist es, Horváths Werk sowie verwandte deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts zu fördern und die Verbindung zwischen seinem Leben und Murnau lebendig zu halten.
Bilder
Ödön von Horváth (1901–1938) führte ein von Unruhe und Flucht geprägtes Leben. Aufgewachsen in verschiedenen europäischen Ländern, prägten ihn soziale Spannungen und politische Umbrüche früh. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurde er mit gesellschaftskritischen Volksstücken wie Geschichten aus dem Wiener Wald bekannt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lebte er im Exil, wo er mit Jugend ohne Gott seinen bekanntesten Roman schrieb. Horváth starb 1938 in Paris – auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
Das Leben von Ödön von Horváth
Ödön von Horváth wird am 9. Dezember in Fiume (heute Rijeka) als erstes Kind des ungarischen Diplomaten Dr. Edmund von Horváth und seiner Frau Maria Hermine aus deutsch-tschechischer Familie geboren.
Belgrad / Budapest
Die Tätigkeit des Vaters führt die Familie nach Belgrad und Budapest, wo 1903 Ödöns Bruder Lajos geboren wird.
Der Vater wird nach München versetzt. Ödön besucht Schulen in Budapest, ab 1913 in München und 1916 bis 1918 in Pressburg.
Die Familie kehrt nach Budapest zurück.
Sie übersiedelt nach Wien, später nach München. Ödön macht das Abitur in Wien und beginnt das Studium der Theaterwissenschaften und Germanistik in München.
Anlässlich eines Sommeraufenthalts in Murnau erwirbt sein Vater dort ein Grundstück.
Die Familie bezieht ihr Landhaus in Murnau, wo Horváth fortan – neben berufsbedingten Aufenthalten in Berlin – lebt und arbeitet. Er veröffentlicht erste Texte und Volksstücke. In dem oberbayerischen Ort verlebt der junge Mann bis 1933 eine gute Zeit mit Baden und Bergsteigen, Feiern mit Freundinnen und Freunden (nicht nur aus Murnau). In dieser Hauptphase seines künstlerischen Schaffens lässt er sich zu einigen seiner bekanntesten Stücke inspirieren und verwebt in Murnau erlebte Begegnungen und Erfahrungen auch in seinen Romanen.
Horváth stellt in Murnau, dem einzigen festen Wohnort seines Lebens, den Antrag auf bayerische und damit deutsche Staatsbürgerschaft. Dieser wird von der Regierung von Oberbayern 1928 abgelehnt, vermutlich wegen des mangelnden geregelten Einkommens des Schriftstellers.
Nach der Saalschlacht in der Gaststätte Kirchmeir zwischen Mitgliedern des (sozialdemokratischen) Reichsbanners und Anhängern der NSDAP in Murnau sagt Horváth als Zeuge in den nachfolgenden Prozessen gegen die Nationalsozialisten aus.
Auf Vorschlag von Carl Zuckmayer erhält der junge Autor den Kleist-Preis.
Als Horváth am 10. Februar 1933 im Murnauer Hotel Post das Radio abschalten lässt, in dem eine Rede Adolf Hitlers übertragen wird, kommt es zu einem Konflikt mit SA-Leuten. Kurz darauf verlässt Horváth Murnau.
Eine unruhige Zeit infolge der Einflüsse des Nationalsozialismus beginnt für den kritischen Schriftsteller. Er hält sich in Henndorf bei Salzburg in der „Wiesmühl“ seines Freundes Carl Zuckmayer auf. In Wien heiratet er die jüdische Sängerin Maria Elsner. Die Ehe wird nach einem Jahr geschieden.
Die Familie verkauft das Murnauer Haus und zieht nach Possenhofen. Berlin wird zunächst Horváths Hauptaufenthaltsort. Er versucht, auch unter Pseudonym, als Drehbuchautor für den Film zu schreiben. Später bereut er dies. Er tritt dem nationalsozialistischen Reichsverband Deutscher Schriftsteller bei, wird aber 1935 wegen fehlender Zahlung des Mitgliedsbeitrag wieder ausgeschlossen.
Horváth übersiedelt nach Wien und hält sich in verschiedenen Hotels auf.
Während eines Besuches bei seinen Eltern in Possenhofen am Starnberger See wird er aufgefordert, Deutschland innerhalb von 24 Stunden zu verlassen.
Horváth hält sich wieder längere Zeit bei seinem Freund Carl Zuckmayer in Henndorf in der Wiesmühl auf. Sein Roman „Jugend ohne Gott“ wird kurz nach Erscheinen in viele Sprachen übersetzt, in Deutschland aber auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt.
Nach der Besetzung Österreichs flieht Horváth nach Budapest, danach folgen Aufenthalte in der Tschechoslowakei, Zürich und Amsterdam, dem Sitz seines Exil-Verlags. Am 1. Juni wird Ödön von Horváth in Paris auf den Champs-Élysées auf Höhe des Théatre Marigny durch einen herabstürzenden Ast getötet und am 7. Juni in St. Ouen/Paris bestattet.
Die Werke von Ödön von Horváth
Sechsunddreißig Stunden (1929)
Der ewige Spießer (1930)
Jugend ohne Gott (1937)
Adieu Europa (Fragment, 1938)
Ein Kind unserer Zeit (1938 posthum erschienen)
Zur schönen Aussicht (1926, Uraufführung 1969)
Die Bergbahn (1927, UA 1929)
Italienische Nacht (1931, UA 1931)
Geschichten aus dem Wiener Wald (1931, UA 1931)
Kasimir und Karoline (1932, UA 1932)
Glaube Liebe Hoffnung (1932, UA 1936)
Eine Unbekannte aus der Seine (1933, UA 1947)
Hin und Her (1933, UA 1934)
Don Juan kommt aus dem Krieg (1936, UA 1952)
Figaro lässt sich scheiden (1936, UA 1937)
Der jüngste Tag (1936, UA 1937)
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Die historisch-kritische Wiener Ausgabe bietet in 18 Bänden erstmals eine nach den Standards moderner Editionsphilologie hergestellte Gesamtausgabe aller abgeschlossenen und Fragment gebliebenen Werke sowie aller Briefe und Lebensdokumente Ödön von Horváths. Sie erfüllt damit zum einen die in der literatur- und theaterwissenschaftlichen Forschung seit langem vorgebrachte Forderung nach einer verlässlichen Textgrundlage und erlaubt zum anderen profunde Einblicke in die Entstehung der Werke sowie die moderne Arbeitsweise des Autors.
https://gams.uni-graz.at/horvath-edition
Horváth-Handbuch
Satz dazu: Das Horváth-Handbuch ermöglicht einen ersten oder vertiefenden Einstieg in Leben, Werk und Wirken Ödön von Horváths. Dabei werden zunächst biographische und editionsphilologische Konstellationen geklärt, dann die unterschiedlichen Werkgruppen einer genauen Darstellung unterzogen. Ein besonderer Fokus gilt den Spezifika der Horváthschen Poetik. Der Band schließt mit einem Blick auf die Rezeption Horváths und einem Personen- und Werkregister.
https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110704310/html?lang=de
Zum Einbürgerungsantrag Horváths im Jahr 1927
Horváth stellte 1927 einen Einbürgerungsantrag in Bayern. Er wäre damit deutscher Staatsbürger geworden. Forschung dazu aus dem Jahr 2002 konnte die Akte neu einordnen, vor allem auch im Bezug auf das Verhältnis Murnau und Horváth.
Artikel aus Horváth lesen. Hg. von Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2013 (= Maske und Kothurn 59/3), S. 61–71.
„Leben ohne Geländer“
Dokumentation des Internationalen Murnauer Horváth-Symposiums 2001.
Herausgeber: Markt Murnau Redaktion: Gabi Rudnicki-Dotzer, Matthias Kratz (Ödön-von Horváth-Gesellschaft) Murnau 2003 ISBN 3-00-010804-1
Die Werke Ödön von Horváths zeichnen sich durch eine scharfe Gesellschaftskritik, eine prägnante, volksnahe Sprache und eine tiefgehende Analyse des moralischen und politischen Verfalls seiner Zeit aus. Horváths zentrale Themen sind die Verrohung der Gesellschaft, die Anfälligkeit des „kleinen Mannes“ für Ideologien, sowie die Heuchelei und moralische Unsicherheit in einer Zeit des politischen Umbruchs. Er verband gesellschaftskritische Inhalte mit einer scheinbar einfachen, fast naiven Sprache, die den Zynismus und die Widersprüche seiner Figuren besonders eindringlich wirken lässt. Typisch ist auch seine Verwendung von Alltagssprache, Sprichwörtern und Klischees, die er oft ironisch bricht.
Horváths Werke sind bis heute aktuell. Seine Figuren stehen exemplarisch für den „kleinen Menschen“, der sich in einer Welt aus Macht, Lüge und sozialer Kälte verliert. Seine ironische und zugleich tragische Weltsicht macht ihn zu einem der bedeutendsten Kritiker der Gesellschaft der 1930er Jahre – und zu einem Autor, dessen Themen auch in der Gegenwart nichts an Relevanz verloren haben.
Werke von Ödön von Horváth
Fragmente aus dem Jahr 1938
Unvollendete Notizen, Skizzen und Entwürfe geben Einblick in Ödön von Horváths letzte Schaffensphase. Sie zeigen den Autor im Exil, geprägt von politischer Unsicherheit, Heimatlosigkeit und dem nahenden Krieg – ein literarisches Vermächtnis voller Brüche und Fragen.
Geschichte
Jugend ohne Gott (1937)
Mit seinem Roman von 1937 zeichnete Horváth ein beklemmendes Bild einer Generation im Bann autoritärer Ideologien. Jugend ohne Gott ist ein Zeitzeugnis, das Moral, Verantwortung und die Verführbarkeit der Jugend eindringlich thematisiert – und bis heute nichts an Aktualität verloren hat.
Geschichte
Der ewige Spießer (1930)
Mit bissigem Humor und scharfem Blick zeichnet Horváth in Der ewige Spießer (1930) das Bild einer Gesellschaft zwischen Traum und Täuschung. Ein Roman über Sehnsucht, Scheinwelten und die Fragilität von Werten – aktuell wie damals.
Geschichte
Sechsunddreißig Stunden (1929)
In Sechsunddreißig Stunden (1929) verdichtet Ödön von Horváth das Leben seiner Figuren auf eineinhalb Tage. Ein Stück über Zeitdruck, Sehnsucht und gesellschaftliche Zwänge – und ein Vorbote seiner großen Dramen.
Geschichte
Mediathek
Aktuell zeigt das Residenztheater München Ödön von Horváths Kasimir und Karoline in einer eindrucksvollen neuen Inszenierung.
Unter der Regie von Barbara Frey wird Horváths Klassiker mit großer Sensibilität und zeitloser Relevanz auf die Bühne gebracht. Die Aufführung betont die gesellschaftlichen und emotionalen Spannungen, die zwischen Rummelplatzatmosphäre, Stillstand und Abstiegsangst entstehen. Mit präzisem Spiel, klarer Sprache und einem atmosphärisch dichten Bühnenbild gelingt es dem Ensemble, Horváths Volksstück in die Gegenwart zu holen – als schonungslosen, aber menschlichen Blick auf eine Welt im Wandel.
Kasimir und Karoline wird so nicht nur zum Abbild der Weimarer Gesellschaft, sondern zu einem Spiegel unserer Gegenwart – zwischen Krisen, Sehnsüchten und der Suche nach Menschlichkeit.
Weitere Aufführungstermine
Informationen zum Werk
Autor: Ödön von Horváth
Uraufführung: 1932, Schauspielhaus Zürich
Gattung: Volksstück, Zeitstück
Ort: Oktoberfest in München
Zeit: Zeitgenössisch zur Entstehung – Weimarer Republik, Weltwirtschaftskrise
Handlung
Ödön von Horváths Drama „Kasimir und Karoline“, uraufgeführt 1932, ist ein eindrucksvolles Zeitstück über Liebe, soziale Ungleichheit und die zerstörerischen Folgen der Weltwirtschaftskrise. Das Stück spielt während des Münchner Oktoberfests – einem Ort des Vergnügens und der Zerstreuung, der in starkem Kontrast zur inneren Leere und Verzweiflung der Figuren steht. Im Zentrum steht das junge Paar Kasimir und Karoline. Kasimir hat gerade seine Arbeitsstelle verloren und ist davon überzeugt, dass Karoline ihn nun verlassen wird. Getrieben von männlichem Stolz, Frust und Existenzangst entfremdet er sich immer mehr von ihr. Karoline hingegen will sich nicht unterkriegen lassen. Sie sehnt sich nach Leichtigkeit, nach einem schönen Abend, und sucht Gesellschaft bei anderen Männern – zunächst bei dem Verwaltungsrat Rauch und dem Chauffeur Speer, später auch bei Franz Merkl. Die Beziehung zerbricht im Laufe des Festtages unter dem Druck der gesellschaftlichen Umstände. Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und soziale Kälte durchziehen das gesamte Stück. Horváth zeigt, wie äußere Krisen private Beziehungen zerstören und wie Menschen sich gegenseitig aus Angst, Wut oder Berechnung verletzen. Das Oktoberfest dient dabei als Bühne für die tiefen sozialen Spannungen der Weimarer Republik. Der Stil des Stücks ist schlicht und direkt. Die Figuren sprechen in einem realistischen, oft lakonischen Ton, der die emotionale Kälte und das soziale Elend noch verstärkt. Zwischenmenschliche Kommunikation scheitert regelmäßig – die Dialoge bleiben oft an der Oberfläche oder entgleisen in Aggression. „Kasimir und Karoline“ ist mehr als ein Liebesdrama. Es ist eine bittere Bestandsaufnahme einer Gesellschaft in der Krise – erschreckend aktuell in seiner Darstellung von sozialem Abstieg, männlicher Verunsicherung und dem Wunsch nach Glück in einer unsicheren Welt. Horváth gelingt mit diesem Werk eine meisterhafte Verbindung von Volksstück und Gesellschaftskritik, die auch heute nichts an Relevanz verloren hat.